Wurzen: Am Sonntagnachmittag haben mehrere Neonazis das Haus des Netzwerks für Demokratische Kultur e.V. am Domplatz 5 in Wurzen angegriffen. Dabei wurden Kameras zerstört bzw. gestohlen und Bierflaschen gegen die Fassade des historischen Gebäudes geworfen. Zudem wurden das vor Kurzem restaurierte Portal und die aufwendig restaurierte Eingangstür ebenfalls beschädigt. Das NDK hat Anzeige erstattet, die Polizei ermittelt.
Die einheitlich schwarz gekleideten und zum Teil vermummten Angreifer hatten zuvor das Heimspiel des ATSV Wurzen gegen den Roten Stern Leipzig besucht. Die Begegnung galt als Risikospiel und war extra auf Sonntag verlegt worden, damit die Polizei das Geschehen mit genügend Kräften absichern konnte. Die etwa 50 der rechten Szene zuzurechnenden jungen Männer riefen während des Spiels Parolen wie „Ob Ost, ob West, nieder mit der roten Pest“ oder auch „Ohne Bullen wärt ihr alle tot!“ in Richtung der Gästefans. Bereits kurz vor Ende der Spiels verließ ein großer Teil der Neonazis gegen 16:45 Uhr das Stadion. Während sich ein Teil von ihnen direkt zum Bahnhof begab, liefen etwa 30, Parolen, wie A.C.A.B. ("All cops are bastards!", auf deutsch "Alle Polizisten sind Bastarde!") skandierend, in kleineren Gruppen durch die Stadt. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie eine Gruppe zum Teil vermummter Männer gegen 18.15 Uhr anfangen, das Gebäude mit Flaschen zu attackieren. Zu diesem Zeitpunkt hielt sich niemand in dem Gebäude auf. Kurze Zeit später sammelte sich der rechte Mob am Bahnhof.
„Es ist für uns unverständlich, wie es den Neonazis gelingen konnte, trotz Anwesenheit eines sehr hohen Aufgebots der Polizei in der Stadt unser Vereinsgebäude unbehelligt anzugreifen“, sagt NDK-Geschäftsführerin Martina Glass. „Der Polizeieinsatz muss dringend aufgearbeitet werden. Zudem erwarten wir, dass die Behörden jetzt zügig die Täter ermitteln und vor Gericht bringen.“ Der Verein hat der Polizei dazu am Montag Videoaufnahmen von dem Angriff übergeben.
In jüngster Vergangenheit war es in Wurzen bereits mehrfach zu Übergriffen durch Neonazis gekommen. Diese richteten sich zunächst vor allem gegen Geflüchtete und Migrant_innen. In der Silvesternacht 2018/19 waren zudem drei Personen in der Karl-Liebknecht-Straße von etwa 20 vermummten Jugendlichen angegriffen und bis in ihre Wohnung verfolgt worden. Ende April hatten mehrere Dutzend schwarz gekleidete Jugendliche das Fußballspiel der B-Junioren der BSG Chemie Leipzig beim ATSV Wurzen besucht und hinterher in der Stadt antisemitische Parolen wie „Juden Chemie“ gerufen.
Das NDK hat bereits im Januar 2019 auf die zu beobachtende Etablierung einer neuen Neonazi-Kameradschaft aufmerksam gemacht. Ein Teil dieser trainiert in einer etablierten rechten Kampfsport-Gruppe in Leipzig. „Wir erwarten, dass Sicherheitsbehörden und Justiz jetzt handeln. Die Übergriffe müssen für die Täter Konsequenzen haben.“ Das NDK verweist in diesem Zusammenhang auf die Ankündigung von Ministerpräsident Michael Kretschmer Mitte März im Landtag („Wir müssen diese rechtsextremen Netzwerke zerschlagen.“).
Nach dem Angriff reagiert Christoph Mike Dietel vom Neuen Forum für Wurzen (NFW) mit Verleumdungen und absurden Ideen, wie dem Haus und dem Verein ernsthaft zu schaden sei. Seine These eines vom NDK selbst inszenierten Überfalls stützt er mit dem vergleichsweise geringen Ausmaß der Zerstörung an dem vor Kurzem erst denkmalgerecht sanierten historischen Portal:„... , kann der Plan ja nur gewesen sein, die Ruhestätte der Faulunken allenfalls kosmetisch zu beschädigen. Denn es braucht kaum lange Planungszeit um zu erkennen, was man benötigt, um das Haus in Windeseile ernsthaft zu beschädigen.“ (www.facebook.com/NEUES-FORUM-für-Wurzen). Das NDK wertet dies als Anregung, wenn nicht gar als Aufruf, zu weiteren Angriffen auf das Haus. Quelle: Roter Stern Leipzig, Facebook, eigene